Tag 8/10. Billy Childish: »Punk Rock Ist Nicht Tot! The Billy Childish Story 1977-2018« (2019)

Ich habe Steven John Hamper, so heißt er im bürgerlichen Leben, nur einmal live gesehen – aber es war eines der markantesten Konzerte, das ich hier im alten Würzburger AKW (Autonomes Kulturzentrum Würzburg) erleben durfte, um 1988/89 herum. Damals nannte er sich noch »Wild« Billy Childish und hatte bereits unzählbare Alben mit The Pop Rivets, Thee Milkshakes und Thee Mighty Caesars veröffentlicht (es sind noch viel mehr seitdem hinzugekommen, unter immer neuen Bandnamen – CTMF ist sein aktuelles Trio, zusammen mit seiner Frau Julie Hamper und Wolf Howard).

In Würzburg trat er nur im Duo auf, zusammen mit einem Bassisten – sie spielten mit kleinen, aber lauten Verstärkern am Bühnenrand eine wüste Mischung aus Rock’n’Roll, Rockabilly, Blues und was weiß ich noch. Und trotz ihrer typisch englischen, karierten Kluft (Sherlock Holmes-Look) war das Punk pur. Der Sound (wie von den Platten) gewohnt roh, Spielweise und Gesang weit von irgendeiner Perfektion entfernt, dafür unendlicher Spaß – und unendlicher Alkoholkonsum: Nicht nur leerten sie ein Bierglas nach dem anderen, sondern auch eine Flasche Whiskey – und zwar jeder seine eigene! Irgendwann saßen sie auf ihren Verstärkern, als sie nicht mehr stehen konnten, und irgendwann fiel der Bassist nach hinten um, so dass nur noch die Ledersohlen seiner Schuhe zu sehen waren … aber er spielte weiter.

Es ist eine Binse, dass Punk nichts anderes als dreckiger Rock’n’Roll ist in seiner primitivsten DIY-Manier, und »Wild« Billy Childish war einer der Größten, Lautesten und Dreckigsten des Metiers – eigentlich ein sicherer Kandidat für einen verfrühten Abgang. Umso erfreulicher, dass er eben nicht völlig abgestürzt ist, sondern in den 1990ern irgendwann das Saufen aufgehört hat, Yoga betreibt … und immer noch eine Platte nach der anderen raushaut, wenn er nicht Bücher schreibt oder als bildender Künstler aktiv ist. Den weit über 100 Alben nachzujagen, vor allem den frühen, lohnt übrigens nicht: Viele Stücke sind Live-Aufnahmen, von denen ich heute auch nur bedingt kleine Prisen vertrage. Aber diese Triple-LP bietet eine hervorragende, kurzweilige Zusammenstellung und belegt vor allem, welch tollen Sachen er in den letzten Jahren veröffentlicht hat, nicht nur mit CTMF, sondern auch mit The Buff Medways, The MBE’s und vor allem The Spartan Dreggs.