4/10. Nightmares On Wax: »A Word Of Science (The 1st & Final Chapter)« (1991)

Fast hätte ich sie für 5 Mark bekommen – via Malibu, damals ein Mailorder, der offenbar Zugriff auf billige Reste hatte und diese Platten dann immer zum »Materialpreis« anbot … aber der Freund, der mir versicherte, er würde bestellen, eröffnete mir nach drei Wochen, dass er doch nicht bestellt hatte. Ich war sauer, und die Platte weg. Jahrelang habe ich ihr hinterhergejagt, aber nie gefunden – die preiswerte CD-Version zählt nicht, ich brauchte sie zum Auflegen. Außerdem entfaltet das Cover, das an die psychedelischen 1960er Jahre erinnert, speziell an die Optik von »Yellow Submarine« (der Film), nur im LP-Format seinen ganzen Charme.

Ein schwacher Trost war immerhin, dass ich zwei Auskopplungen aus dem Album auf Maxi hatte, »Aftermath #1« und »A Case Of Funk«. Vor allem letztere lief häufig in meinen Sets – ein subsonisch bollernder, rumpelnder Panzerbeat, hysterische Chorsamples, Flötenklänge. Oder »Biofeedback« auf der B-Seite: Etwas langsamer, dafür noch extremer in der Kombination aus glasklaren Hochfrequenzen und allertiefsten Bässen … wenn irgendein Album den irren Warp-Sound (gemeint ist das Label, damals noch in Sheffield ansässig) der ersten Jahre einfängt, dann dieses. Und nur wenig an diesem Debut-Album weist darauf hin, dass schon mit dem zweiten Album, »Smokers Delight« (1995), George Evelyn (aka E.A.S.E.) nach dem Weggang von Kevin Harper (nein, nicht der Fußballer) die Marke »Nightmares On Wax« in ein Downbeat/TripHop/R&B/Dub-Unterfangen verwandeln könnte. Er tat es aber.

Die späteren Alben waren kommerziell viel erfolgreicher, N.O.W. werfen alle paar Jahre eine neue Platte auf den Markt, sieben sind es seither, und jede wurde gefeiert. Ich bin, leicht schockiert, schon nach »Smokers Delight« ausgestiegen. Dafür lohnt die Suche nach den frühen Stücken umso mehr – es kursieren diverse frühe Warp-Maxis und Compilations, die die ganz eigenartige Mischung aus House, Dub und HipHop/Elektro enthalten, die N.O.W. auf dieser Platte ausbreiten. Ich mag nicht prinzipiell schlecht über Downbeat schreiben, aber alleine für den herrlichen Blödsinn »Mega Donutz« würde ich jedes spätere Album, so ich denn eines hätte, eintauschen.

Die frohe Botschaft: 2014 endlich wurde »A Word Of Science« wiederveröffentlicht, remastered und auf vier statt zwei LP-Seiten verteilt. Das Album ist Pflicht für alle, die sich für den ganz eigenartigen Sound interessieren, der nach 1988 in England entstand, und dem sich ein aktuelles Buch widmet: »Join The Future. Bleep Techno and the Birth of British Bass Music« von Matt Anniss, meine Lektüre im Moment. Klar: LFO oder Sweet Exorcist waren – durch ihren radikalen Bruch mit dem bisher Gehörten – viel prägender für dieses Genre, aber N.O.W. haben mit »A Word Of Science« ein Scharnier geschaffen, das das beste von HipHop und Elektro der 1980er nahm und mit den neuen Klängen im Gefolge von Techno/House verband, vor allem den gaaaanz tiefen Bässen. Und das mit einem breiten Dauergrinsen, das sich in der Folge leider in ein dauerbreites Grinsen verwandelte …