Einer der bedeutenden Impulse für mein Interesse an Musik und Klang ist die Anschaffung eines Mini-Disc-Recorders im Walkman-Format gewesen.
In den frühen 90ern verpönt, im ersten Anlauf kläglich gefloppt wegen der (damals auf unausgereiften Algorithmen beruhenden) Datenkomprimierung des Audiomaterials auf gerade mal 20% (verglichen mit CD oder DAT), war die MiniDisc (MD) eine Käufergeneration später ausgreift genug, um der Compact Cassette das Wasser abzugraben. Und verglichen mit dem MP3-Standard und seiner Datenreduktion auf 10% und weniger befindet sich der MD-Sound noch im audophilen Klangbereich.
Ich stellte innerhalb kürzester Zeit fast vollständig von Compact Cassette auf MD um, was meine wenigen privaten Aufnahmen anging (Mixtapes); viel entscheidender war aber, dass ich endlich ein transportables Aufnahmegerät hatte.
Aus einem alten Kassettenrecorder baute ich die Mikrophonkapseln aus und verpflanzte sie in einen Billigkopfhörer anstelle der Lautsprecher – fertig war mein Kunstkopfmikro. Für ein paar Mark besorgte ich mir dann piezokeramische Tonabnehmer als Kontaktmikro, und von meiner Frau (damals noch Freundin) bekam ich zu Weihnachten ein neues Stereomikrophon geschenkt.
Eine ganze Weile verbrachte ich viel Zeit damit, an unterschiedlichen Orten die jeweilige Geräuschkulisse aufzunehmen oder mich auf einen einzelnen Sound zu konzentrieren: kein Ausflug inkl. Hochzeitsreise ohne Aufnahmegerät.
Gerade der umgebaute Kopfhörer kam sehr oft zum Einsatz, was nicht der (zugegeben lausigen) Soundqualität, sondern seiner Dezenz geschuldet sei, taugt er doch gleichermaßen für den Gang unter Menschen als auch für die Aufnahme von 360°-Panoramen in freier Wildbahn. Wenn bloß der Wind nicht so blasen würde …
Ein weiteres Novum ist die Editierfähigkeit, die die MD gänzlich abhebt vom üblichen Playback-Minimalismus: Stücke zerschneiden, verschieben, zusammensetzen oder löschen – Burroughs hätte seine helle Freude daran gehabt; dazu schaffen viele Geräte im Repeat-Modus exakte Loops. Beide Stücke machen diesbezüglichen Gebrauch der Eigenschaften des MiniDisc-Walkman/Recorder – seine Mobilität und seine Editierfähigkeiten.
»a good bargain«
Aufgenommen im Juli 1998 in Glasgow (am Ende der Hochzeitsreise quer durch Schottland, zusammen mit meiner Frau Margit)
Wir besuchten den Barras, einen riesigen Floh- und Trödelmarkt unweit des städtischen Friedhofs (Nekropolis). Auf dem Areal stehen viele Hallen, die früher wohl mal ein richtiger Markt gewesen sein mögen – heute kann man einmal in der Woche stundenlang darin herumstreifen und sich an den Ständen einen Überblick über die z.T. unglaubliche Ansammlung von Müll machen, die dort neben dem normalen Trödel feilgeboten wird.
Ich war die ganze Zeit damit beschäftigt, die Geräuschkulisse mit meinem Eigenbau-Kunstkopfmikrophon einzufangen und stand versonnen bei einem Tisch in der hintersten Ecke einer der Hallen, erstaunt über das größte Sortiment an Feuerzeugen bzw. deren Überresten aus Metall, als der Händler spontan diesen Song zum Besten gab, begleitet von einem Uralt-Keyboard (mit Holzgehäuse), in das er sein Mikrophon gestöpselt hatte.
Leider zerrt die Aufnahme in der zweiten Hälfte ein wenig (= Pressfehler), dennoch empfehle ich das Anhören über Kopfhörer.
»hells bells«
Aufgenommen 1999 zuhause (eine Version lief am 17. März 99 als »Vorprogramm« bei einem Konzert von ISO 68 in der Galerie nulldrei hier in Würzburg)
Sämtliche* Klänge stammen aus einer kleinen Holzkiste mit Kurbel, in der sich eine Spieluhr befindet, die »Happy Birthday« klimpert. Ich habe die einzelnen Töne per Kontaktmikrophon abgenommen und dann verfremdet. Der Gerätepark dafür bestand aus einem Minidisc-Recorder, einem 4-Spur-Fostex-Kassettenrecorder, einem 2-Spur-Uher-Tonbandgerät, einem billigen Multi-Effektgerät und einem einfachen 3-Kanal-DJ-Mischpult.
Die Klänge wurden per Zufall arrangiert, mit Hall versehen, vorwärts und rückwärts übereinandergelagert, beschleunigt oder verlangsamt und immer wieder hin- und herkopiert zwischen den Geräten bei gleichzeitiger Addierung immer neuer Klänge und immer stärkerer Separierung (Cut-Up-Technik).
* Der Bass, der stellenweise zu hören ist, stammt von einem gebrauchten Tonband, das beim Umkopieren bzw. Verlangsamen der Aufnahmen verwendet wurde.
Ursprünglich erschienen in Bad Alchemy #37, Frühjahr 2001.
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