8/10. The Hafler Trio: »BANG! – An Open Letter« (1984)

Den Veröffentlichungen von Andrew McKenzie bin ich fast zehn Jahre lang treu gefolgt, bis auch mir ab Mitte der 1990er Jahre das Verhältnis von Praxis (der Sound auf den Tonträgern) zu Theorie (die kryptischen Texte in den Booklets und Beilagen) nicht mehr stimmig erschien – aber ich habe mich köstlich amüsiert und tue es heute noch beim Hören gerade der frühen Hafler Trio-Veröffentlichungen, die die klangliche Fülle der Elektroakustischen Musik (à la Stockhausens »Gesang der Jünglinge«, v.a. aber der französischen Post-musique concrète, wie sie auf INA/GRM dutzendweise veröffentlicht wurde) mit dem schrägen Humor eines Steven Stapleton (aka Nurse With Wound) verbinden. Doch wo Stapletons Bezugspunkt der klassische Krautrock war, bediente sich McKenzie einer (pseudo-)akademischen Herangehensweise und verwandte gerne manifestartige (»Three Ways Of Saying Two – The Netherlands Lectures«, 1986; »How To Reform Mankind«, 1994) oder philosophisch anmutende Titel (»A Thirsty Fish«, 1987; »Ignotum Per Ignotius«, 1989).

Von wegen Trio übrigens: Gerade mal ein Duo war das zu Anfang, McKenzies Mitspieler war Chris Watson, Gründungsmitglied von Cabaret Voltaire (auf deren Doublevision-Label das Debüt »BANG! – An Open Letter« 1984 erschien) und heute ein hochgeschätzter Fachmann, wenn es um Feldaufnahmen geht – kein Berg zu hoch, kein Wasser zu tief, keine Location zu entlegen, um nicht fantastische Naturaufnahmen zu fertigen. Nachdem Watson um 1987 herum das »Trio« verlassen hatte, widmete er sich ganz seiner Karriere bei der BBC, bevor er Anfang der 2000er Jahre plötzlich wieder (auf Tonträgern) von sich hören ließ, überwiegend Solo-Veröffentlichungen mit tollen »field recordings« und Collagen …

… dieweil McKenzie den Output konstant hoch hielt, was auf Dauer dann in erwartbar überraschungsarmen Tonträgern resultierte. Die ersten zehn Jahre lohnen jedoch und dokumentieren auch hier gerade zu Anfang die fantastischen Möglichkeiten, die sich mit Mikrofon, Bandmaschine, Effektgerät und einer gehörigen Portion Unverfrorenheit ergeben. So war der dritte im Bunde, ein gewisser Dr. Edward Moolenbeek, schon immer genauso ein Hirngespinst wie der Autor Robert Spridgeon, dessen »selected bibliography« hier vorgestellt wird, und ROBOL Sound Recording existiert ebenfalls nicht. Trotzdem ist alles in sich völlig schlüssig, ein gigantischer Hoax, der einige der besten Geräuschcollagen und abstrakte elektronische Kleinode hervorgebracht hat.

Mein absoluter Favorit ist eigentlich die EP »The Sea Org«, 1986 im knuffigen 10″-Format auf Touch veröffentlicht, mit tollem Booklet und Endlosrille – aber das gilt ja nicht als Album.