10/10. Malcolm McLaren: »Duck Rock« (1983)

An ihm schieden sich die Geister – ach was: Vermutlich war der Typ einfach nur ein übler Schwindler, durch und durch (es gab zu Lebzeiten weit schlimmere, vermutlich treffendere Bezeichnungen für ihn, aber: De mortuis nil nisi bene). Nach seinen diversen Hintergrundaktivitäten in den 1970er Jahren, die ihn angeblich zum Vater des Punk machten (als Entdecker, Produzent und Mentor der New York Dolls und der Sex Pistols), veröffentlichte er im für Popverhältnisse stolzen Alter von 43 Jahren sein eigenes Debüt-Album. Und was für ein durchgeknalltes Teil das war und immer noch ist!

Interessant ist, dass in meiner aktuellen Lektüre (»Join The Future. Bleep Techno and the Birth of British Bass Music«) dieses Album als massiver Einfluss auf die englische Clubszene und die Geburt von Bleep Techno genannt wird – neben »Planet Rock« von Afrika Bambaataa & the Soul Sonic Force. Wobei es vor allem der frühe Hip Hop, das Scratchen und die Bässe waren, die beeindruckten (heute muss bei den Bässen allerdings der Equalizer etwas nachhelfen, wenn ich die LP abspiele). Aber auch Neneh Cherrys ersten Hit und Durchbruch als Solokünstlerin, »Buffalo Stance« von 1988 (ihre Antwort auf das hier enthaltene »Buffalo Gals«), hat er wohl indirekt befördert. Dabei darf nicht unterschlagen werden, dass dieses Album ganz stark von der Zusammenarbeit mit dem Art Of Noise-Nukleus (Anne Dudley, Trevor Horn, Gary Langan) geprägt ist, der nicht nur einen Großteil der Instrumentierung übernahm, sondern auch mit Credits bei Komposition (Horn, Dudley), Tontechnik (Langan) und Produktion (Horn) bedacht wird.

Das schönste an dem Album ist, dass es in einem Guss daherkommt, als Pseudo-Radio-Show, gehostet vom World’s Famous Supreme Team. Dazwischen lauter schmissige Nummern (und ein paar langsame – »Obatala« und »Legba« sind einfach wunderbare Instrumentals), die nicht nur in die Beine gehen, sondern vor Witz und Humor nur so sprühen und dabei viele musikalische Stile souverän plündern. McLaren war nicht der einzige, der der Faszination für »Weltmusik« in den 1980ern erlag, aber einer der ersten – mit deutlichem Vorsprung etwa vor Paul Simons eher überschätztem Album »Graceland« (1986) und David Byrnes eher unterschätztem »Rei Momo« (1989). Bei aller Zwiegespaltenheit sehe ich mich hier und jetzt jedoch nicht in der Lage, die Problematik der westlichen Adaption von »Weltmusik« zu thematisieren …

»Duck Rock« war so gut, dass McLaren die Idee gleich nochmal verwertete, cleverer Geschäftsmann, der er war: 1990 übertrug er das Konzept auf »Round The Outside! Round The Outside!«, das noch deutlicher auf Clubs und Tanzflächen abzielte und auch hier nochmal echte Duftmarken setzen konnte – diesmal auch mit ordentlichem Bass. Lohnenswert ist allerdings auch das ziemlich schräge Album »Swamp Thing« von 1985, das Outtakes und Material aus der »Duck Rock«-Phase (1982–84) enthält, allerdings mit weit weniger exotischem Touch und kommerziell eher ein Flop – zu Unrecht, denn auch hier sind Art Of Noise prominent dabei, und Stephen Hague kam als Produzent bei einigen Stücken hinzu. Dennoch bleibt das große Manko dieses Albums die völlige Abwesenheit des World’s Famous Supreme Team. Leider, denn musikalisch bildet »Swamp Thing« mit der stärkeren Betonung von Hip Hop und vor allem Electro hörbar das Missing Link zwischen den beiden bekannteren Alben, erschien aber nie auf CD und wurde offenbar auch nie mehr wiederveröffentlicht …