Brian Eno ist der Klangkünstler, von dem sich die meisten Tonträger in meiner Sammlung breitgemacht haben: über 100 zeigt mir Discogs an – natürlich sind da sowohl Alben dabei, die er produziert hat (am bekanntesten dürfte seine Zusammenarbeit mit U2 sein – von denen ich wiederum nichts besitze oder höre – oder den frühen Talking Heads, ohne deren Debüt), als auch Doubletten bzw. Tripletten: Seine Vinylalben waren in den 1980ern teilweise klassische 9,90-LPs im entsprechenden Fach, aber oft eher lausige Pressungen (JEM). Dieses Album von 1975, wie einige andere, besitze ich also auf magerem älteren Vinyl (1982er US-Reissue), dann auf CD (Remastered, 2009) und gleich nochmal als Doppel-12″ (Remastered, 45 RPM, 2017). Ein sehr lesenswertes schmales Buch zu diesem Album (von Geeta Dayal in der Reihe 33 1/3 bei Continuum Press erschienen) gehört selbstverständlich auch dazu …
… denn hier findet sich Eno in absoluter Höchstform: Als drittes seiner sog. vier Song-Soloalben veröffentlicht, ist nicht nur der endgültige ästhetische Bruch mit Glam zu hören (er war ja an den ersten beiden Roxy Music-LPs beteiligt), sondern vieles, was in die Zukunft weist und noch heute, 45 Jahre nach der Erstveröffentlichung, frisch und modern klingt, um nicht zu sagen: zeitlos. Ok, »I’ll Come Running« enthält im Refrain noch Spurenelemente seiner beiden Vorgängeralben, aber augenzwinkernd. Stattdessen kreiert er hier mit einer illustren Schar an Gastmusikern (leider eine reine Männerwirtschaft, u.a. mit Robert Fripp, Phil Collins, Percy Jones, John Cale) klangliche Kleinode, die sich in ihrem Aufbau jeweils möglichst weit von dem entfernen, was seinerzeit unter »Pop« oder »Rock« verstanden wurde, nur um grandiosen Pop (oder Rock) zu schaffen. Dass dieses Album mehr Instrumental- als Gesangsstücke enthält, aber trotzdem als Song-Album wahrgenommen wird, verdeutlicht diese Brillianz.
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Für Eno gilt eigentlich ebenso das Diktum, das ich bei Zappa ausgesprochen habe: Von ihm alleine könnte ich zehn Alben nennen, die mich beeinflusst haben und in jede Sammlung gehören – die Gitarren-/Bandschleifen-Flächen von »No Pussyfooting« (1975, mit Robert Fripp), der Sample-Fake-Ethno auf »Fourth World Vol. 1 – Possible Musics« (1980, mit Jon Hassell) oder »My Life In The Bush Of Ghosts« (1981, mit David Byrne), seine Ambient-Alben »Discreet Music« (ebenfalls von 1975) oder »Ambient 4: On Land« (1982 – tausendmal besser mit seinen dunklen Untertönen als das Nur-Dur-Gesäusel von »Ambient 1: Music For Airports« von 1978), seine zeitgenössischen Pop-Alben der frühen 1990er (»Nerve Net«, 1992), seine leicht verstörenden Veröffentlichungen bei Warp (»Small Craft On A Milk Sea«, 2010; »Drums Between The Bells«, 2011) oder sein Spät-Pop, der wieder Ähnlichkeiten mit seinen ganz frühen Alben zeigte (»Someday World« und »High Life«, 2014, zusammen mit Karl Hyde – vor allem die Gesangsharmonien erinnern an die ersten Eno-Song-Alben) …
Viele der Alben, gerade der Ambientalben der jüngeren Zeit, tendieren leider im Wortsinn zur »Musique D’Ameublement« – sie plätschern oder dudeln vor sich hin, tun dabei nicht weh, sind aber auch keine Offenbarungen, wie es sie in seiner Diskografie doch so zahlreich gab. Dabei gingen andere noch viel strenger mit ihm zu Gericht, etwa Karl Bruckmayer, der in seiner (sehr lesenswerten) »History Of Pop« (2014) den Post-Roxy Music-Eno disst: »Wham bam, thank you, Glam: Brian Eno stöckelt mit einer Federboa über London Strand, bevor er zur Alessi-Pfeffermühle des Pop verknöchert.« Tja.