6/10. :Zoviet*France: »Mohnomishe« (1983)

Ich war immer ein Fan der »ersten« Phase dieses Projekts aus Newcastle-Upon-Tyne, also grob von »Garista« (1982) bis »Shouting at the Ground« (1988). Das könnte man zuerst auf die individuellen, handgefertigten Verpackungen zurückführen (Holzplatten, Alufolie oder Dachpappe als Material für die handbemalten/-bedruckten Cover) – ich habe etliche Originale aus der Zeit.

Von diesen wiederum stellt die DoLP »Mohnomishe« (1983) für mich das gelungenste Album dar: Die mit rotem Faden zusammengehaltenen, bedruckten Holzplatten als Cover passen perfekt zu den vier LP-Seiten. Der Sound ist unglaublich organisch, in den flächigeren Stücken genauso wie in den rhythmischen, die mich auch nach über 30 Jahren immer noch faszinieren und regelmäßig auf dem Teller landen (wegen der Endlosrillen ist natürlich das Vinyl hier Pflicht).

»Popular Soviet Songs & Youth Music« (1985), ursprünglich als Doppel-C90 veröffentlicht in einer Keramikbox, ist möglicherweise das vielfältigste, heterogenste Album – hier kann man in manchen Stücken sehr deutlich den Prozess der freien Improvisation hören, der der Musik zugrundeliegt. Umso deutlicher zeigt »Mohnomishe«, was möglich ist, wenn auf dieser Basis Klänge generiert und anschließend Schicht um Schicht überlagert werden: Vieles der Soundqualität liegt am Prozess (defektes Equipment, Magnetband vor der digitalen Ära) – Rauschen addiert sich, Feinheiten verwaschen, Bässe mutieren in der x-ten Kopiegeneration zu dumpfem Rumpeln.

Die Klänge auf »Mohnomishe« schöpfen ihre ganze klangliche Faszination aus den Defiziten des Prozesses – das haben andere auch gemacht, aber nirgends ist so ein homogener, unverwechselbarer Sound entstanden wie bei :Zoviet*France:, und hier wiederum auf »Mohnomishe«. Gleichzeitig bleiben die Stücke angenehm einfach, werden nicht mit klanglichen Gimmicks überladen, und erreichen so die Sogwirkung, die mich auch heute noch packt. Das gilt für die flächigen Stücke, die bizarre tropische Urzeit-Landschaften vor meinem Auge entstehen lassen, genauso wie für die rhythmischen, die zum besten gehören, was ich an tribaler, ritueller Musik kenne – aufgenommen mit defektem Equipment irgendwo im nördlichen England des ausgehenden 20. Jahrhunderts. :Zovie*tFrance: haben hier einen Signature Sound entwickelt, den sie auf späteren Veröffentlichungen teilweise gar nicht mehr erreichen konnten – es fällt auf, dass der Wechsel zu digitalem Equipment nicht nur Dur-Harmonien befördert hat, sondern auch eine gewisse Beliebigkeit.

Ich habe auch spätere Alben von :Zoviet*France:, etwa »7.10.12.« (2012), und da finden sich auch gute Momente. Aber mit der klanglichen und rhythmischen Magie (ich muss das so nennen) der ersten Jahre im Allgemeinen und »Mohnomishe« im Besonderen hat das nicht mehr viel zu tun. Ich bedauere das nicht – so bleibt »Mohnomishe« ein Album, das im Oeuvre von ZF ebenso eine Sonderstellung einnimmt wie in meiner Plattensammlung.