1/10. Everything But The Girl: »Walking Wounded« (1996)

1998 waren wir auf Hochzeitsreise, Anfang Juli zwei Wochen Schottland mit Leihwagen (Margit war schon im fünften Monat schwanger), Start Edinburgh, Ziel Glasgow. Einmal um die Highlands rum, kleine Spaziergänge, schöne Landschaft – und fürchterliches Essen. Zumindest, wenn wir nicht auf Fish&Chips ausweichen konnten … klar, die »Chips« sind omnipräsent als Beilage, und mit Essig drüber durchaus ok. Aber zum Kartoffelgratin Chips als Beilage? Und im Kartoffelgratin nur sauer eingelegtes Gemüse? Ach Leute …

In Glasgow waren wir dann die letzten vier Tage, und nicht nur gab es dort, nach dem wirklich schlimmsten Döner meines Lebens zum Einstand, einen rettenden Pizza-Express (kannte ich von meinem Semester im Süden Englands: Superlecker frische Pizza), sondern das »Osho’s« – eine angenehme Lounge mit ebenfalls gutem Essen. An unserem ersten Abend dort lief »Walking Wounded« als Album in voller Länge – und war, in Kombination mit dem leckeren Essen, eine Offenbarung.

Wenige Dance-Platten funktionieren so hervorragend auf Albumlänge wie diese – Drum&Bass und House wechseln sich ab mit Downtempo-Nummern, nur eine schwächere Nummer ist dabei (die Ballade »Single« – ich habs leider gar nicht mit Balladen), der Rest ist einfach State-Of-The-Art Electronica, garniert mit Tracy Thorns fantastischer Stimme. Es wurde irgendwie »unser« Album, wir haben die CD sofort nach unserer Rückkehr gekauft und oft gehört, zuhause oder auf längeren Autofahrten. Und als ich im Oktober des gleichen Jahres nochmal ein kurzes London-Wochenende einlegte – nach dem Schottlandflug meine zweite und letzte Flugreise ever –, habe ich mir im HMV gleich noch das Vinyl gekauft (zum dreifachen Preis, den die CD in Deutschland gekostet hatte).

Einziger Makel des Albums: Der völlig unnötige Todd Terry-Mix von »Wrong«, der dem eh schon gelungenen, gut tanzbaren Original lediglich einen völlig überflüssigen Hüpfpony-Dumpfbeat aufpropft – fürchterlich. Andererseits war es Terry, der »Missing« vom Vorgängeralbum »Amplified Heart« (1994) als Remix in die Dance-Charts beförderte und EBTG auf die Dancefloorschiene brachte, die sie mit »Temperamental« (1999) noch konsequenter verfolgten … bevor sie mit »Back To Mine« (2000) ihr vorerst letztes Album veröffentlichten. Leider – Tracy Thorns »Love And Its Opposite« von 2010 ist da nur ein schwacher Trost, aber immer noch ein sehr schönes Pop-Album. Und wer sich mit EBTG vor »Walking Wounded« beschäftigen mag, was übrigens lohnenswert ist, der/dem sei »The Works – A 3 CD Retrospective« von 2007 empfohlen, wo das Frühwerk inkl. dem kompletten »Amplified Heart«-Album enthalten ist.