»aku«-Ausstellung in Kleinrinderfeld
Warum Reinhard Singer nun eigentlich nach Würzburg gekommen ist – die Antwort auf diese Frage ist er doch irgendwie schuldig geblieben. Der gebürtige Pfälzer hat die letzten 30 Jahre in Karlsruhe verbracht, die letzten 20 davon als Architekt, seit 1991 als freier Architekt und Dozent an der TH Karlsruhe. Die Einstiegsfrage jedenfalls lenkt das Thema umgehend auf die hiesige – Landschaft.
Nun mag man einem Architekten oft unterschwellig unterstellen, daß es ihm weniger um die Landschaft als um sein Wirken in dieser geht. Schließlich ist er ja kein Landschaftsplaner, sondern er entwirft und plant Häuser – kleine für Familien, große für Firmen und Behörden, zuweilen ganze Stadtviertel zum Leben und Arbeiten. Singer denkt laut nach über die Bezüge des Innen und Außen, des Menschen zum Haus, des Hauses zu seiner Umgebung, der Umgebung zur Natur.
Und schon herrscht Einigkeit im Gespräch, z. B. über eine Malaise heutiger Bauweise: hermetisch abgeschlossene, vollisolierte und (öl-)zentralbeheizte Einheiten, die vor allem im ländlichen Raum nach Schema F hingestellt werden (um dann – im schlimmsten Fall – bei der Wahl von Putz- und Ziegelfarbe den Begriff des »Individualismus« völlig zu pervertieren; Ansicht des Autors).
Er selbst bezeichnet sich als Minimalisten, in seinen Bauten kann man die Verwendung serieller Elemente aber ebenso finden wie markante Details, die sich nicht als Selbstzweck in den Vordergrund drängen. In der Ausstellung geht es nicht nur um »Bauten, Projekte und Wettbewerbe«: Der programmatische Titel »aku« (Architektur – Kunst – Urbanismus) spiegelt sich wider in der Mischung aus Modellen und Schautafeln, Bildern Singers (vor dem Architekturstudium lagen zwei Jahre an der Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe) – und einer Arbeit seines aku-Partners Benjamin Becker.
Dieser beschäftigt sich in seiner ausgezeichneten Arbeit »zoo_burbia« mit dem wachsenden Phänomen der sogenannten urban wildlife encounters – die Flucht bedrohter Tierarten nach vorne, in die Zivilisation. Seine Recherchen und Gedanken zum Thema sind gesammelt in einem Buchobjekt und, analog dazu, einem Parcours durch eine Stelenreihe, die das Buch schautafelmäßig aufblättert.
Eine weitere Frage erübrigt sich in der Konversation mit Singer von selbst: Urbanismus wird als Begriff nicht nur auf metropolitane Verhältnisse angewendet, sondern betrifft viel umfassender das ganze menschliche Miteinander (mit sich und der Natur). Auf die Haltung kommt es an – »Arbeiten wie ein Bauer sein Feld pflügt« steht an einer Wand zu lesen, bar jeder Koketterie.
So vielschichtig sich die Ausstellung präsentiert, so differenziert kann man sich mit Reinhard Singer, der an den Sonntagen präsent ist, unterhalten – stundenlang. Schon deswegen lohnt der Weg nach Kleinrinderfeld, noch zweimal am Sonntag oder nach Vereinbarung. ¶
Singer | Becker – Architekten: »Bauten, Projekte, Wettbewerbe«Galerie im Lagerhaus, Schönfelderstr. 8, 97271 Kleinrinderfeld
geöffnet an den nächsten beiden Sonntagen (4. und 11. September) von
14–18 Uhr und nach tel. Vereinbarung (0931–7903318)
Zuerst erschienen in der Würzburger Kulturzeitschrift nummer, Ausgabe neun (September 2005), S. 27.
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