»Inside Deep Throat«

Lesedauer ca. 2 Minuten Filmkritik, erschienen im September 2005 in der nummer neun.

14. August, Corso Kino, Würzburg

Ein Film, dessen Hauptdarsteller wiederum ein Film ist – eine seltene, wenn auch schon dagewesene Idee (vgl. die Arbeitsweise von z. B. Jean-Luc Godard). Spektakulär ist aber weniger die Idee, sondern der hier verhandelte Film: »Inside Deep Throat«, produziert von Oscar-Preisträger Brian Grazer (»8 Mile«, »A Beautiful Mind«). Erzählt wird die Geschichte des legendären Pornofilms der frühen 1970er Jahre – »Deep Throat« – in aktuellen Interviews mit dem Regisseur Gerard Damiano, dem männlichen Hauptdarsteller Harry Reems (Linda Lovelace, die weibliche Hauptdarstellerin, starb vor wenigen Jahren bei einem Autounfall) und anderen, ergänzt um Zitate und Zeitdokumente der späten Nixon-/Prä-Carter-Ära. Nun kann man (und frau) eine je eigene, dezidierte Meinung zum Thema Pornografie haben – aber der Film dreht sich nicht nur um das Fleischliche.

Viel interessanter und – leider wieder – aktueller ist der Blick auf die vorgeblichen Hüter der Moral, die seinerzeit nicht nur den Film in fast allen US-amerikanischen Bundesstaaten verboten haben (mit Nixon an der Spitze …), sondern soweit gingen, die Gesetzgebung, die Grundrechte betreffend, zu ändern. So verwundert es nicht, daß sich im Zuge der sexuellen Revolution der 1960er Jahre zuerst eine Allianz zwischen dem »Deep Throat«-Team und der Bürgerrechts- resp. Frauenbewegung bildete – bis Mitte der 1970er Jahre sich das Blatt wendete und Frauenrechtlerinnen verstärkt auch die aufblühende Pornoindustrie ins Visier nahmen (»PorNO!« – sicherlich vertretbar in 99% aller Vorkommnisse …). Linda Lovelace wendete sich ebenfalls von der gefeierten Sex-Darstellerin zur Gegnerin medial vermittelter Nacktheit – nur um in den 1990ern mit 51 Jahren noch einmal als Playmate zu posieren.

»Inside Deep Throat« bringt etwas Licht in die Verquickung von Sex, Geldinteressen, Moralvorstellungen, religiösem Fundamentalismus und politischen Machenschaften. Die Idee der Freiheit, die auch von den Fürsprechern und Fans von »Deep Throat« (darunter z. B. Camille Paglia oder Dennis Hopper, der im Original die Off-Erzählstimme spricht) betont wird, kommt allerdings nur bedingt rüber. Nicht wegen der paar Originalszenen, sondern wegen der doch etwas grellen Bildsprache der Regisseure Fenton Bailey und Randy Barbato, die beim Versuch, den Spirit der damaligen Zeit visuell nachzubilden, oft etwas zu tief in die Klamottenkiste greifen.

So wird »Inside Deep Throat« nie an den Ruhm des Originals herankommen – obwohl der filmisch nicht besonders gut war, wie Regisseur Damiano schmunzelnd zugeben muß. Und er fügt (sinngemäß) hinzu: »Damals hat der Film einen enormen Wirbel verursacht, heute glauben die jungen Menschen nicht einmal, daß das schon Sex ist …«

www.insidedeepthroatmovie.com


Zuerst erschienen in der Würzburger Kulturzeitschrift nummer, Ausgabe neun (September 2005), S. 30 f.
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